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Richard Rodgers & Oscar Hammerstein II: Cinderella (1997)

  • Autorenbild: Sabine Eckmüller
    Sabine Eckmüller
  • 22. Jan. 2024
  • 7 Min. Lesezeit

„Cinderella? Das kennt doch wirklich jeder!“, werdet ihr jetzt sicher denken! Das stimmt, aber diese Inszenierung ist einer meiner absoluten Geheimtipps. Einerseits stammt sie Richard Rodgers & Oscar Hammerstein II und bietet damit absolute Ohrwurm-Garantie und anderseits handelt es sich um eines der wenigen existierenden TV-Musicals.

Im bekannten Märchenstoff nimmt es einige neue Aspekte auf, die die Geschichte aus einem anderen Winkel beleuchten. Hier kannst du kurz in eines der bekanntesten Songs reinhören (Whitney Houston als gute Fee - was will man mehr?):



Warum sollte ich es sehen?

Du solltest den Film unbedingt sehen, wenn du:

  • Musicals magst und mal einen etwas unbekannteren Musical-Klassiker kennenlernen möchtest.

  • Einfach Lust auf ein bisschen heile Welt hast und mit mindestens einem Ohrwurm den weiteren Tag verbringen möchtest.

  • Fan von einer der folgenden Personen bist: Whitney Houston (gute Fee), Whoopi Goldberg (Königin), Brandy Norwood (Cinderella)

  • Das Märchen mal in einer multiethnischen Besetzung erleben möchtest. Denn Cinderella, die gute Fee und die Königin sind schwarz und der Prinz hat allem Anschein nach exotische Wurzeln. Damit setzt der Film das Märchen in einen gewissen Rassismus-Kontext.


Cinderella (1997) ist bereits die dritte Verfilmung des Musicals. Die erste stammt von 1957 mit Julie Andrews in der Hauptrolle. Allerdings ist sie nur sehr schwer zu kriegen und wurde damals leider in minderwertiger TV-Qualität produziert, nicht vergleichbar mit den damaligen Kino-Standards.

Aus diesem Grund gab es bereits 1965 eine weitere Verfilmung mit Lesley Ann Warren als Cinderella, bei der Komponist Richard Rodgers das Stück nochmal überarbeitete (Oscar Hammerstein II, der Textdichter, war zu dem Zeitpunkt bereits verstorben). Diese Fassung gibt es übrigens bei Amazon Prime.

Ich habe mich dazu entschieden, euch die jüngste Verfilmung näher zu bringen, weil sie viele Elemente aus den beiden älteren Verfilmungen nachschärft, einige Ideen aufgreift, aber die Geschlechterrollen nochmal deutlich überarbeitet. Das Konzept "Jungfrau in Nöten" wurde hier etwas überarbeitet.

Außerdem enthält diese Version ein paar zusätzliche Songs aus anderen Musicals von Rodgers/Hammerstein, die dazu dienen, das Seelenleben der Charaktere besser zu verstehen. Das ist typisch für die Musicals der beiden.

Wenn du noch mehr zu Richard Rodgers & Oscar Hammerstein II erfahren möchtest, kannst du dich hier weiter einlesen:





Was passiert?

Ja – vermutlich weiß jeder, was in Cinderella passiert ... Aber gerade deshalb sollten wir uns ansehen, was diese Verfilmung anders macht (mal davon abgesehen, dass viel gesungen wird).

Stell dir geschäftiges Markttreiben vor: Cinderellas Stiefmutter geht mit ihren Töchtern einkaufen, während Cinderella Pakete für sie schleppt. Cinderella wirkt hier wie deren Dienerin, nicht wie ein Familienmitglied.

Etwas abseits singt sie ihr erstes Lied The sweetest Sounds, in dem wir mehr über Cinderellas Sehnsüchte erfahren. Sie wünscht sich eine bessere Zukunft und einen liebevollen Partner, der sie versteht. Diese Sehnsucht teilt auch der Prinz, den wir in diesem Moment in zivil auf dem Markt kennenlernen. Er trifft auf Cinderella, als sie verträumt fast vor eine königliche Kutsche läuft und dabei ihre Pakete fallen lässt und er hilft ihr beim Aufsammeln. Der Prinz selbst kann sich mit dem Adel nur wenig identifizieren und ist deshalb lieber inkognito unterwegs. Von Cinderella fühlt er sich bei diesem ersten Treffen bereits angezogen und hofft, sie wiederzusehen. Das Kennenlernen wird jedoch von Cinderellas Stiefmutter unterbrochen.

Wir wechseln die Szenerie: Prinz Christopher ist mittlerweile ins Schloss zurückgekehrt und stellt fest, dass seine Mutter einen Ball plant, um ihn zu verkuppeln. Er fühlt sich unverstanden, weil er nur aus Liebe heiraten möchte, und geht.

Alle Menschen im Land freuen sich auf den Ball, während der Diener des Prinzen, Lionel, alles organisieren muss. Der wäre gerne mal Prinz, um sich selbst bedienen zu lassen, und versteht nicht, warum Christopher so gerne unter einfachen Menschen ist.

Auch Cinderella und ihre Familie erfahren vom Ball: Die Stiefmutter (die übrigens als einzige Figur keinen Namen hat) drillt ihre beiden Töchter (Calliope & Minerva) zu vermeintlich perfekten Heiratskandidatinnen, die ihre Macken erst nach der Hochzeit offenbaren. Tatsächlich verkörpern beide eher komische Rollen, die wenig dem Prinzessinnenideal entsprechen. Cinderella darf natürlich nicht mit zum Ball und wird auf ihren Platz als „Dienerin“ verwiesen. Allerdings hat sie durchaus einen eigenen Willen und kontert, dass ihr Vater es ihr gestattet hätte, wenn er noch am Leben wäre. Danach zieht sie sich in die Küche zurück, dem einzig ungestörten Platz, den sie hat.

Prinz Christopher versucht in der Zwischenzeit, den Ball abzusagen, aber Lionel unterbreitet einen Kompromissvorschlag: Der Prinz geht heute auf den Ball, aber wenn er seine künftige Frau dort nicht findet, darf er sie auf seine Art suchen. Der König stimmt zu, womit auch die Königin widerwillig nachgeben muss.

Am Abend ist Cinderella traurig, dass sie nicht auf den Ball kann. Doch da erscheint die gute Fee, die ihr klarmacht, dass sie selbst für ihr Glück verantwortlich ist und die notwendigen Schritte gehen muss. Davon handelt auch das Lied Impossible (things are happening every day). Die Fee wendet ihren bekannten Zauber an (Kutsche, Kleid, gläserne Schuhe - alles bis Mitternacht) und Cinderella macht sich auf den Weg zum Ball. Damit gibt sie Cinderella jedoch nur etwas Starthilfe für den ersten Schritt.

Der Ball ist bereits in vollem Gange. Dort tanzt Prinz Christopher mit allen anwesenden Damen und ist sichtlich genervt von seiner Situation. Insbesondere Cinderellas Stiefschwestern und ihre Stiefmutter fallen negativ auf: Die Schwestern durch ihre Marotten, die Mutter, weil sie versucht, sich über einen Flirtversuch mit Lionel einen Vorteil für ihre Töchter zu verschaffen.

Cinderella erscheint und alle sind von ihr bezaubert, ganz besonders Prinz Christopher. Er denkt, sie von irgendwo zu kennen, kann sie jedoch nicht zuordnen und verbringt den ganzen Abend mit ihr.

Im Garten werden beide von Cinderellas Stiefschwestern beobachtet, die sich sehr über die Wahl des Prinzen ärgern, wie sie in Stepsisters‘ Lament äußern. Das ist eigentlich ein sehr modernes Stück, wo es über Schönheitskonventionen geht und warum Männer immer schöne Frauen bevorzugen, auch wenn es im komischen Gewand verpackt ist.

Das Königspaar versucht, Cinderella näher kennenzulernen. Aber als sie mehr über ihre Familie erfahren wollen, verlässt Cinderella vorzeitig den Ball, weil sie denkt, nicht in diese Welt zu gehören. Christopher läuft ihr nach und beide stellen fest, dass sie auf ihre Art Probleme mit ihren Eltern haben und Cinderella kehrt mit ihm zurück auf den Ball. Kurz vor Mitternacht kommt es zu einem Kuss zwischen beiden. Doch dann schlägt die Uhr, Cinderella verlässt hastig den Ball und verliert dabei einen ihrer Schuhe, den der Prinz im Anschluss findet  (den Teil kennen wir).

Cinderellas Familie kommt nach dem offiziellen Ende des Balls zurück nach Hause und die Stiefschwestern schwärmen Cinderella vor, wobei sie die Wahrheit sehr ausschmücken. Auch Cinderella erzählt, wie sie sich den Ball in ihren Träumen vorstellt. Durch die auffallende Nähe zur Realität erregt das bei ihrer Stiefmutter einen leisen Verdacht, weshalb sie sie direkt im Anschluss beleidigt. Daraufhin beschließt Cinderella, ihr zu Hause zu verlassen, um jemanden zu finden, der sie schätzt. Die gute Fee erscheint nochmals, um Cinderella zu überzeugen, sich dem Prinzen zu offenbaren.

Der ist währenddessen auf der verzweifelten Suche nach seiner Ballbekanntschaft. Erst wollten ihn seine Eltern davon abbringen, zeigen jedoch am Ende Verständnis für seine Suche, weil sie selbst aus Liebe geheiratet haben.

Letztendlich kommt Prinz Christopher auch zu Cinderellas Haus. Dort sperrt die Stiefmutter sofort die Tür zur Küche ab, wo Cinderella gerade ihre Sachen packt. Doch der Schuh passt weder den beiden Schwestern noch ihr. Christopher hat allerdings bemerkt, dass die drei irgendetwas hinter der Tür zu verbergen versuchen und zwingt alle, die Tür zu öffnen. Aber niemand befindet sich dahinter, denn Cinderella hat das Haus bereits verlassen.

Vor dem Haus wiederholt sich die Kutschenszene vom Anfang, wo Cinderella vor die königliche Kutsche geriet. Das sieht der Prinz, als er das Haus verlässt, und erkennt Cinderella in der Szene sofort wieder. Er lässt sich den Schuh reichen, zieht ihn ihr an und am Ende heiraten sie. Happy End!


Wie soll ich das verstehen?

Zugegeben, die Zusammenfassung war etwas ausführlich, aber wie du sicher bemerkt hast, weicht die Handlung dieses Films an einigen Stellen vom Märchen ab. Das betrifft besonders die Paarbeziehung zwischen Cinderella und dem Prinzen.

Im Film haben beide offensichtlich viel gemeinsam: Sie mögen das einfache Leben, haben ähnliche Interessen und eine ähnliche Vorstellung von der Liebe. Beide suchen nach einem gleichwertigen Partner, der sie mit Liebe und Respekt behandelt. Das ist im Märchen nicht der Fall. Hier wählt sich der Prinz die schönste Frau und heiratet sie OBWOHL sie arm ist. Das ist hier anders: Die Beziehung funktioniert gerade deshalb gut, WEIL Cinderella aus armen Verhältnissen kommt und sich im Gegensatz zu allen anderen Frauen nicht für Reichtum und Einfluss interessiert (genau wie der Prinz). Auch die Beziehung beider zu ihren Eltern ist belastet, bei Cinderella besonders, aber auch Prinz Christopher fühlt sich durch seine Eltern bevormundet.

Den Gegenentwurf diesem Paar bildet Cinderellas Stiefmutter. Das wird insbesondere in ihrem Lied Falling in Love deutlich. Darin beschreibt die Stiefmutter, dass sie früher von der Liebe enttäuscht wurde. Daher sieht sie in der Ehe (nicht in der Liebe) vor allem eine Möglichkeit, ihre Chancen auf sozialen Aufstieg zu verbessern – sowohl für sich als auch für ihre Töchter, denen sie dieses Bild vermittelt. Das Ziel ist es, sich als möglichst liebreizend zu verkaufen bzw. sich zu verstellen bis man verheiratet ist. Danach kann man sein Leben leben, wie man möchte, idealerweise mit mehr Kapital.

Die gute Fee (eng. Fairy Godmother – wortwörtlich: feenhafte Patin) steht zwischen diesen Konzepten. Als Fee ist sie eine Art Mutterersatz für Cinderella, der sie anleitet. Sie hat sowohl mütterliche Strenge als auch die notwendige Sanftheit und steht als überirdisches Wesen zwischen dem Dies- und dem Jenseits. Sie ist auch Dienerin, verfügt aber über genügend Autorität, um entscheiden zu können, wem und wie sie hilft. Dabei ist sie in ihren Handlungen immer menschlich, mehr als alle anderen Mutterrollen im Film. Man könnte auch sagen, die Fee ist die einzig gute Mutterfigur im Film. Denn auch Königin Constantina verfolgt in erster Linie eigene Interessen. Sie liebt es, Veranstaltungen, wie Bälle oder Hochzeiten zu planen. Ihr eigener Sohn ist hier ein Mittel zum Zweck.

Cinderella ist ein Film, in dem abseits von Prinz Christopher nur Männer ausgleichende Rollen einnehmen. König Maximilian klärt regelmäßig die Unstimmigkeiten zwischen seiner Frau und seinem Sohn, Lionel bietet Kompromissvorschläge zwischen Christopher und seinen Eltern und sogar Cinderellas Vater, der bereits verstorben ist, konnte zu seinen Lebzeiten dafür sorgen, dass die Familie funktionierte. Erst durch das Fehlen dieser Vermittlerrolle eskaliert die Familienkonstellation bei Cinderella. An dieser Stelle greift das traditionelle Bild einer Familie noch immer, wie es in amerikanischen Filmen häufig der Fall ist. Cinderellas Situation verbessert sich nämlich schlagartig, als sie in eine funktionierende Familie einheiratet.

Ein weiterer Kernaspekt im Film die Multiethnizität. Dadurch, dass gezielt erfolgreiche Frauenrollen mit schwarzen Frauen besetzt wurden (Königin, Cinderella, gute Fee), zeigt der Film, dass Schwarze Frauen mittlerweile alles erreichen können, wenn sie es wollen. Geknüpft ist das jedoch an den eigenen Willen (wie in Impossible) und nicht an die Hautfarbe. Denn das Konzept funktioniert nicht bei Cinderellas (ebenfalls schwarzer) Stiefschwester Minerva.

Denn die Kernbotschaft aber bleibt: Man muss selbst hart daran arbeiten, die eigenen Träume wahr werden zu lassen. Die meisten Träume bleiben nur deshalb Träume, weil die Person nicht versucht, sie in Realität zu verwandeln. Das wird besonders durch zwei Lieder Impossible und It’s possible klar (das Wortspiel ist auch kein Zufall), beide auf die gleiche Melodie. Vielleicht ist das auch für dich eine Inspiration, einen deiner langgehegten Träume in die Tat umzusetzen?


Wo finde ich den Film?

Falls du nun Lust bekommen hast, den Film zu sehen: Er ist aktuell auf Disney+ unter folgendem Link verfügbar. Viel Freude beim Ansehen!




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