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Edgar Allan Poe: The Raven (Der Rabe)

  • Autorenbild: Sabine Eckmüller
    Sabine Eckmüller
  • 27. Dez. 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Feb. 2024

Wer hat nicht schon mal davon gehört? Edgar Allan Poes Gedicht "The Raven" ist mittlerweile ein Klassiker der Horrorliteratur, der vielfach zitiert wurde. Man kennt es zum Beispiel in einer Simpsons-Halloween-Episode oder Terry Pratchets "Scheibenwelt". Aber Hand aufs Herz: Wer hat das Gedicht jemals wirklich gelesen? Hier erfahrt ihr in Kürze, was ihr über das Werk wissen solltet und warum es sich lohnt, sie mal zu lesen. Tatsächlich ist man nämlich relativ schnell durch die 18 Strophen durch.


Warum sollte ich es lesen?

Portrait von Edgar Allan Poe

Bei Edgar Allan Poes "The Raven" handelt es sich um einen absoluten Klassiker der Weltliteratur, der sich mit seinen 18 Strophen auch relativ schnell liest. Zudem ist es eines der ersten Gedichte, die je in Amerika verfasst wurden. Doch das allein sollte kein Grund sein, das Gedicht unbedingt zu lesen.


Hier bekommst du einen besseren:

Diese Geschichte zeigt uns die Gefahr, sich über den Verlust eines Geliebten Menschen selbst zu verlieren. Das Leben zieht an einem vorbei, während man selbst in der Vergangenheit gefangen ist. Das hat sich in den fast 200 Jahren seit der Erstveröffentlichung des Gedichts (1845) nicht verändert.

Im Gegensatz zu vielen Geschichten, die einem vorleben, wie ein gutes Leben funktioniert, zeigt einem dieser hier, was passieren kann, wenn man sich selbst verliert.

Das ist gerade im Hinblick auf die Biografie von Edgar Allan Poe besonders spannend, die du hier nachlesen kannst:




Was passiert?

Stell dir eine trübe, graue Dezembernacht im 19. Jahrhundert vor: Ein junger Mann sitzt allein in seinem Arbeitszimmer, umringt von vielen Bücherregalen. Es ist dunkel und die Bäume werfen lange, gruselige Schatten durch die Fenster. Die Geliebte des Mannes, Lenore, ist vor Kurzem verstorben und er versucht, sich mit Arbeit abzulenken. Darüber schläft er fast ein, als es plötzlich an der Türe klopft.

Kupferstich zu "The Raven" von Gustave Doré

Er schreckt auf, öffnet die Tür, findet aber niemanden vor. Da flüstert er leise "Lenore?", sein Echo antwortet ihm leise "Lenore!" Er kehrt mit etwas Herzklopfen zurück in sein Zimmer, als es nochmals klopft - dieses Mal am Fenster. Vermutlich ist es nur ein Ast, denkt er, und öffnet das Fenster, um nachzusehen.

Da fliegt ein Rabe in das Zimmer und setzt sich auf die Pallas-Büste über seiner Kammertür. Das ernste Gesicht des Rabens bringt unseren Erzähler zum Schmunzeln und fragt ihn im Scherz nach seinem Namen. Und tatsächlich - der Rabe antwortet: "Nimmermehr" (engl. Nevermore), sagt er. Der Erzähler resigniert und murmelt, dass der Rabe ihn morgen auch verlassen werde, wie viele Freunde zuvor. Doch der Rabe erwidert erneut: "Nimmermehr". Er grübelt - halb erschreckt, halb interessiert - über diesen Raben, der vermutlich nur ein einziges Wort sprechen kann, holt sich einen Hocker und setzt sich direkt vor ihn.

Es vergeht etwas Zeit, der Rabe spricht nicht nochmals und der Erzähler sinniert über den Hocker, auf dem er gerade sitzt, denn auf ihm saß häufiger auch seine geliebte Lenore. Da ruft er, Gott müsse ihm diese Ablenkung geschenkt haben , damit sie ihn von Leonore ablenkt. Doch der Rabe antwortet erneut: Nimmermehr.

Ab hier verschwimmen Realität und Einbildung für unseren Erzähler. Er fragt den Raben, ob er in Büchern je eine Ablenkung gegen seinen Kummer finden könnte und ob er Lenore im Jenseits wieder umarmen könnte. Doch der Rabe erwidert in beiden Fällen "Nimmermehr".

Frustriert von die Antworten wird der Rabe daraufhin aufgefordert, das Haus zu verlassen, doch er weigert sich und sagt erneut "Nimmermehr".

Und der Rabe hält Wort: Er sitzt noch immer auf der Pallasbüste und wirft seinen großen Schatten auf den Erzähler, dessen Seele nie erlöst werden soll.


Welche Hinweise sind im Text versteckt?

Hier sollten wir uns zwei Dinge näher ansehen: die Pallas-Büste und den Raben.

  • Pallas Unter Pallas versteht man die Kurzform von Pallas-Athene. Man kennt sie aus der griechischen Mythologie, in der sie als Göttin der Weisheit bekannt ist.

  • Der Rabe Raben wurden als Aasfresser früher mit dem Tod assoziiert. Sie traten massenhaft auf Schlachtfeldern oder auf Galgenhügeln auf, was ihnen auch den Beinamen "Galgenvogel" einbrachte. Seiher kennt sie auch als Vermittler zwischen Leben und Tod. In der nordischen Mythologie stehen sie zudem für Weisheit (aufgrund ihrer enormen Klugheit, die man immer wieder beobachten kann).


Wie soll man das verstehen?

Bei Edgar Allan Poes der Rabe handelt es sich um ein Gedicht der sog. "Schwarzen Romantik". Das ist eine Epoche, die Anhängern der Gothic-Bewegung sicher gut gefallen würde. Es geht um das Morbide, den Tod, Gespenster und unerklärliche Phänomene, auch was die menschliche Psyche betrifft. Sie reagiert damit einerseits auf die Aufklärung, die alles rational erklären wollte, und letztlich doch nicht konnte, und andererseits das Ideal der Romantik. Denn auch damals wussten die Menschen: Das Leben hat nicht immer ein Happy End, manchmal läuft es auch anders.

Kupferstich zu "The Raven" von Gustave Doré

Im vorliegenden Gedicht kann man das sehen: Ein Mensch, der seine große Liebe verloren hat, klammert sich an den Alltag, der ihm jedoch nicht genügend Halt gibt und verliert letztlich den Verstand darüber, dass er seine Leonore vielleicht nie mehr wiedersehen wird, wenn die Religion nicht das erfüllt, was einem in den Kirchen versprochen wird.

Der Rabe wird hier in mehrfacher Hinsicht als Instanz der Weisheit inszeniert, die mehr gilt, als die komplette Bibliothek des Erzählers. Schließlich sitzt er auf der Büste von Pallas-Athene, der griechischen Göttin der Weisheit.

Sein Wissen steht damit in direktem Bezug zur Weisheit der Antike und zu den alten Göttern. Aus dieser Position schaut er nun herab auf unseren Erzähler, wie zu einem kleinen Kind, um ihm zu berichten, dass seine kindlichen Vorstellungen nie Realität sein werden. Aus diesem Grund verwendet er auch nur ein einziges Wort, um die Botschaft maximal leicht verständlich zu übermitteln.

Doch das Problem mit Wissen ist, wenn man es einmal erlangt hat, kann man es nie mehr ganz vergessen. Deshalb wird unser Rabe den Erzähler ebenfalls nie mehr verlassen, der seinerseits über die Erkenntnis verrückt wurde oder sogar stirbt. Da lässt das Gedicht etwas Interpretationsspielraum.


Wo finde ich das Gedicht?

Hast du Lust bekommen, das Gedicht zu lesen? Unter folgenden Links findest du den Text kostenlos im englischen Original oder einer deutschen Übersetzung.



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